Peking
China: "Chaos" im Rahmen der Gesetze beenden
- Veröffentlicht: 06.09.2019
- 10:37 Uhr
- dpa
Erstmals äußerte sich Chinas Premier zu den Unruhen in Hongkong. Er stellt sich hinter Hongkongs Regierung und verweist zurückhaltend auf die Rechtslage - was eine Intervention aber nicht ausschließt.
Chinas Regierungschef Li Keqiang hat eine Lösung der schweren Krise in Hongkong mit gesetzmäßigen Mitteln zugesichert. Die Zentralregierung in Peking unterstütze die Hongkonger Regierung, das "Chaos" zu beenden. Das werde "im Rahmen der Gesetze" geschehen, versicherte der Premier am Freitag bei einer Pressebegegnung mit Kanzlerin Angela Merkel in Peking. Peking halte an dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" fest, nach dem die chinesische Sonderverwaltungsregion autonom regiert wird.
Er ging damit nicht direkt auf eine Frage nach einem möglichen militärischen Eingreifen in Hongkong ein. Allerdings wäre eine solche Intervention auch auf der gegenwärtigen Rechtsgrundlage möglich, wenn die Hongkonger Regierung nicht mehr mit den Protesten fertig werden und die Zentralregierung um Hilfe bitten sollte. Li Keqiang bekräftigte aber auch, dass Peking weiter an dem Grundsatz festhalte, dass die Hongkonger ihre eigenen Angelegenheiten regelten.
Merkel pocht auf gewaltfreien Dialog
Es war der höchste Regierungsvertreter in Peking, der sich bisher zu den seit mehr als vier Monaten andauernden Protesten geäußert hat. Die Kanzlerin forderte alle Beteiligten auf, von Gewalt abzusehen. Eine Lösung müsse im Dialog gefunden werden. Merkel begrüßte, dass die Hongkonger Regierung das umstrittene Gesetz für Auslieferungen nach China diese Woche komplett zurückgezogen hat. "Ich hoffe nun, dass die Demonstranten am Dialog teilnehmen können", sagte Merkel.
Hongkongs Regierung hatte den Rückzug des Gesetzentwurfs mit einem Gesprächsangebot an alle Teile der Gesellschaft verbunden, da die Unzufriedenheit unter den sieben Millionen Hongkonger weit über das Gesetz hinausgeht und sich auch auf wirtschaftliche und soziale Probleme in der Hafenmetropole erstreckt.
Auch Handelskrieg ein Thema
Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie wird Hongkong mit einem eigenen Grundgesetz autonom und in seinem eigenen Territorium unter chinesischer Souveränität regiert. Die Proteste hatten sich an dem Gesetz entzündet, doch reichen die Forderungen der Demonstranten heute bis hin zu freien Wahlen und einer Amnestie für Festgenommene. Auch am Wochenende soll es wieder Proteste geben.
Außer den Unruhen in Hongkong überschattete der Handelskrieg zwischen den USA und China den Besuch der Kanzlerin. Merkel äußerte im Gespräch mit Li Keqiang ihre Hoffnung auf eine baldige Beilegung des Konflikts. Jeder merke, dass sich der Streit auch auf andere Staaten auswirke. Die Kanzlerin plädierte auch für einen baldigen Abschluss eines Investitionsschutzabkommens zwischen China und der EU.
Deutsch-Chinesisches Fundament
Merkel hob hervor, dass die deutsch-chinesischen Beziehungen auf einem festen Fundament stünden. Es gebe aber auch Konflikte. Bei deren Aufarbeitung seien beide Seiten schon ein gutes Stück vorangekommen, sagte die CDU-Politikerin zu Beginn der Gespräche. Anschließend wurden elf Kooperationsvereinbarungen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen unterzeichnet.
Zuvor war Merkel mit militärischen Ehren empfangen worden. Bei der Zeremonie wurden Stühle bereitgestellt, so dass Merkel mit Premier Li Keqiang weitgehend sitzen konnte. Aufgrund mehrerer Zitteranfälle bei ähnlichen Gelegenheiten, wo sie länger stillstehen musste, hatte sie militärische Empfänge zuletzt wiederholt im Sitzen absolviert. Li Keqiang stand allerdings bei der chinesischen Nationalhymne auf.
Am späten Nachmittag wird Merkel sogar von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zu einem Gespräch und anschließenden Abendessen empfangen. Kritik an Chinas Regierung kam von der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD). "In Bezug auf bürgerliche und politische Rechte hat sich die Lage in China in den letzten Jahren deutlich verschlechtert", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
China in der Kritik
Die Meinungsfreiheit werde weiter eingeschränkt. Auch der Umgang mit Minderheiten wie Tibetern sowie Uiguren und anderen Muslimen mache ihr große Sorgen. Kofler wies auch auf das Sozialpunktesystem hin, das gerade in China eingeführt wird. Dabei wird das durch umfassende Überwachung erfasste Verhalten aller Bürger bewertet: Für erwünschtes Verhalten gibt es Pluspunkte, für unerwünschtes Verhalten Punktabzug - zum Beispiel für das Überfahren einer roten Ampel, aber auch für regierungskritisches Handeln.
Die Kanzlerin wird von einer großen Wirtschaftsdelegation begleitet und will in Peking sowie auf ihrer zweiten Station Wuhan am Samstag auch Firmen besuchen. In Wuhan will sie an der dortigen Huazhong-Universität mit Studierenden sprechen. Merkel war zuletzt im Mai vergangenen Jahres in China gewesen.