Telefonat mit Putin
Gelingt Merkel der diplomatische Coup?
- Veröffentlicht: 05.03.2014
- 21:45 Uhr
- cwe, AP, AFP
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Russlands Präsident Wladimir Putin haben abermals über die Ukraine-Krise gesprochen. Das teilte der Kreml am Mittwochabend mit. Bei dem Gespräch seien "Szenarien für eine internationale Zusammenarbeit" diskutiert worden, mit dem Ziel, die Lage in der Ukraine zu normalisieren. Nach Kreml-Angaben ging das Gespräch auf eine Initiative der Kanzlerin zurück.
Merkel hatte zuletzt am Sonntag mit Putin telefoniert. Dabei hatte sie dem Kreml-Chef wegen des aggressiven Vorgehens auf der Krim einen Verstoß des Völkerrechts vorgeworfen, zugleich aber für die Bildung einer Kontaktgruppe geworben. Diese soll direkte Gespräche zwischen Russland und der neuen Regierung in der Ukraine ermöglichen.
EU-Ultimatum bis Donnerstag
Die Bemühungen westlicher Außenminister, den russischen Chefdiplomaten Sergej Lawrow in Paris zu einem Gespräch mit dem ukrainischen Interims-Außenminister Andrej Deschtschyzja zu bewegen, scheiterten allerdings. Lawrow verließ das französische Außenministerium am Abend, ohne Deschtschyzja getroffen zu haben. Allerdings würden die Gespräche "in den kommenden Tagen" fortgesetzt, um die Lage in der Ukraine zu stabilisieren, sagte Lawrow beim Verlassen des Quai d'Orsay.
Der Westen will einen Abzug der russischen Soldaten von der seit dem Wochenende besetzten Krim erreichen. Mit einer Rückkehr der Soldaten auf die russischen Stützpunkte würde Moskau ein greifbares Signal der Deeskalation senden, sagte der britische Außenminister William Hague. Die EU hatte gewarnt, dass sie Sanktionen gegen Russland verhängen würde, sollten die Soldaten nicht bis zu einem Sondergipfel in Brüssel am (morgigen) Donnerstag abgezogen sein.
Finanzhilfen aus Europa
Bereits am Mittwoch schnürte die EU ein Hilfspaket, das für die kommenden Jahre unter anderem Kredite und Subventionen für die finanziell darniederliegende Ukraine vorsieht, wie Kommissionspräsident José Manuel Barroso mitteilte. Der Gesamtbetrag von elf Milliarden Euro entspricht jener Summe, die Russlands Präsident Wladimir Putin Janukowitsch nach dessen Abkehr von der EU Ende vergangenen Jahres zugesichert hatte.
Die EU fror zudem das Vermögen von 18 Ukrainern ein, die mutmaßlich staatliche Gelder veruntreut oder unterschlagen haben, so wie das bereits Österreich, die Schweiz und Liechtenstein getan hatten. Namen wurden nicht genannt, Beobachter gingen aber davon aus, dass es sich um Vertreter der ehemaligen Janukowitsch-Regierung oder deren Geschäftsfreunde handelte.
Ukraine will beschwichtigen
Lawrow warnte die EU, dass ihre Unterstützung für die neue Regierung in Kiew Umstürze in anderen Staaten fördern könnte. "Wenn wir denjenigen nachgeben, die unseren großen, gütigen, historischen Nachbarn regieren wollen, müssen wir auch verstehen, dass ein schlechtes Beispiel ansteckend ist", sagte Lawrow in Spanien, bevor er nach Paris weiterflog.
Der ukrainische Außenminister Deschtschiza sagte, sein Land wolle nachbarschaftliche Beziehungen zum russischen Volk. "Wir wollen das hier friedlich lösen" sagte er und fügte hinzu: "Heute wird über die Zukunft der Ukraine entschieden." Der neue ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sprach sich ebenfalls für einen Dialog mit Russland aus und stellte dem mehrheitlich russischen Bewohnern der Krim mehr Autonomie in Aussicht. Die dortige prorussische Regionalregierung will noch im März ein Referendum über eine Anspaltung von der Ukraine abhalten.
UN-Gesandter bedroht
Auf der Halbinsel selbst blieb die Lage nach wie vor angespannt. Der vor Ort vermittelnde UN-Sondergesandte Robert Serry wurde von mehreren Bewaffneten bedroht und zum Verlassen der Halbinsel aufgefordert, wie der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson sagte. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sandte ein Team aus 35 unbewaffneten Militärangehörigen auf die Krim, um die Lage dort unabhängig zu beurteilen.
Der Konflikt dehnte sich auch auf andere russischsprachige Gebiete der Ukraine aus. In der Stadt Donezk im Osten des Landes stürmte eine Menschenmenge mit russischen Flaggen das Gebäude der Regionalverwaltung.