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Nach Abschiebung aus Türkei

IS-Verdächtiger nach Ankunft in Haft

  • Veröffentlicht: 15.11.2019
  • 18:40 Uhr
  • dpa
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Nach der Abschiebung einer deutsch-irakischen Islamisten-Familie aus der Türkei nach Berlin ist ein Familienmitglied direkt festgenommen worden.

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Nach der Abschiebung einer deutsch-irakischen Islamisten-Familie aus der Türkei nach Berlin ist ein Familienmitglied festgenommen worden. "Der Vater wurde aufgrund eines bestehenden Haftbefehls der Justiz übergeben", teilte der Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Martin Pallgen, am Freitag auf Anfrage mit. Der Mann sitze unter anderem wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges in Untersuchungshaft, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hildesheim. Das Amtsgericht habe bereits im Juni einen Haftbefehl gegen den 55-Jährigen wegen sechs Taten erlassen und diesen im August um sechs weitere Taten ergänzt.

Der Mann soll sich gegenüber Asylbewerbern und Flüchtlingen wahrheitswidrig als Anwalt ausgegeben oder behauptet haben, einen Rechtsanwalt vermitteln zu können, um bei Asylverfahren beziehungsweise beim Besorgen deutscher Pässe zu helfen. Er soll dafür eine Gebühr kassiert, aber keine Gegenleistung erbracht haben. Der Beschuldigte sei Anfang 2019 aus Deutschland ausgereist. Der Haftbefehl im Sommer sei mit dem Haftgrund der Fluchtgefahr erlassen worden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Man sei davon ausgegangen, dass er sich mit der Ausreise dem Strafverfahren entziehen wollte.

Kontakte zu Islamisten

Nach dpa-Informationen hatte der älteste Sohn der Familie in Hildesheim früher Kontakt zu dem inzwischen verbotenen "Deutschen Islamkreis" um den Hassprediger Abu Walaa. Der ebenfalls aus dem Irak stammende Prediger steht zusammen mit vier weiteren mutmaßlichen Islamisten in Celle vor Gericht. Sie sollen Jugendliche als Kämpfer für den IS rekrutiert haben. Die am Donnerstag abgeschobene Familie, die aus den Eltern, zwei Söhnen, zwei Töchtern und einem Enkelkind besteht, befindet sich laut Pallgen bereits nicht mehr in Berlin. Zu ihrem neuen Aufenthaltsort machte er keine Angaben.

Die Türkei hatte am Montag öffentlich die Abschiebung mehrerer deutscher mutmaßlicher Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in dieser Woche angekündigt. Für Freitagnacht wurde den deutschen Behörden die Ankunft von zwei Frauen angekündigt. Dabei handelt es sich nach dpa-Informationen um eine 1998 geborene Frau, der es gelungen war, aus dem von Kurden bewachten Gefangenenlager Al-Hol in Syrien zu fliehen. Sie saß den Angaben zufolge zuletzt in der türkischen Stadt Gaziantep in Abschiebungsgewahrsam. Außerdem sollte eine gebürtige Hannoveranerin ins Flugzeug gesetzt werden. Sie soll sich aus dem inzwischen aufgelösten syrischen Gefangenenlager Ain Issa in Richtung Türkei abgesetzt haben.

Die Türkei war Anfang Oktober in Nordsyrien einmarschiert und geht dort gegen die Kurdenmiliz YPG vor. Die von der YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte SDF bewachen in Nordsyrien Tausende IS-Gefangene. Nach Angaben pro-kurdischer Aktivisten hat die SDF trotz des türkischen Einmarsches noch die Kontrolle über alle IS-Gefangenenlager, mit Ausnahme von Ain Issa.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte, die deutschen Behörden würden gewährleisten, dass von Islamisten und mutmaßlichen IS-Anhängern, die die Türkei abschiebt, keine Gefahr ausgeht. Diese Menschen würden im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern einer Sicherheitsbewertung unterzogen, sagte Merkel in Berlin. "Dementsprechend wird dann natürlich sichergestellt, dass von diesen Personen keine Gefahr ausgeht."

Problem für die deutsche Justiz

Nicht jeder, der ins Herrschaftsgebiet des IS gereist ist, kann in Deutschland auch strafrechtlich verfolgt werden. Bei den Männern war die Sache bisher oft relativ klar: Rückkehrer wurden von der Bundesanwaltschaft verhaftet und angeklagt, weil sie in Syrien oder im Irak als Kämpfer in Gefechte gezogen waren, Gegner erschossen, Gefangene misshandelt oder sich an Hinrichtungen beteiligt hatten.

Bei den Frauen ist es schwieriger. Strafbar ist die Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) setzt diese "eine gewisse formale Eingliederung" voraus. Dafür braucht es keine Beitrittserklärung wie einen Treueeid. Der oder die Verdächtige muss aber eine Stellung einnehmen, "die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht".

Was das konkret bedeutet, zeigt der Fall von Sibel H. Sie war 2016 mit ihrem Ehemann erst nach Syrien, dann in den Irak gereist. Er arbeitete als Krankenpfleger und bekam Geld vom IS. Sie kümmerte sich um Haushalt und Einkäufe, später wurde sie Mutter. Nach H.'s Rückkehr wollte der Generalbundesanwalt einen Haftbefehl - aber der BGH sagte Nein: Das Leben im "Kalifat" sei noch keine mitgliedschaftliche Beteiligung. Auch für eine - ebenfalls strafbare - Unterstützung des IS sahen die Richter keine Anhaltspunkte. Mehr als ein Jahr später reichte es dann doch für den Haftbefehl. Inzwischen hatten die Ermittler Sibel H. nachweisen können, dass sie Zugriff auf Waffen hatte. Außerdem hatte sie mit ihrem Mann in Häusern gelebt, deren Bewohner vor dem IS geflohen waren. Das wertet die Bundesanwaltschaft als Kriegsverbrechen gegen das Eigentum.

Andere Rückkehrerinnen konnten festgenommen werden, weil sie ihre Kinder ins Kriegsgebiet verschleppt, für den IS Wachdienste übernommen oder Hinrichtungen zugeschaut hatten. Im Juni 2018 verhängte der BGH Untersuchungshaft gegen eine Deutsche, die nach Syrien gereist war, um ein höherrangiges IS-Mitglied zu heiraten. Sabine S. hatte andere Frauen aufgefordert, es ihr gleichzutun, und Enthauptungen im Namen des Islam gerechtfertigt. Das ließ die Richter "auf eine einvernehmliche Aufnahme in den IS schließen".

US-Bürger abgeschoben

Ein amerikanischer mutmaßlicher IS-Anhänger wurde nach offiziellen Angaben aus der Türkei in die USA abgeschoben. Innenminister Süleyman Soylu sagte: "Der Amerikaner, der zwischen Griechenland und unserer Grenze gestrandet war, ist vor kurzem per Flugzeug von Istanbul nach Amerika abgeschoben worden." Er hätte eigentlich, angeblich auf eigenen Wunsch, nach Griechenland gebracht werden sollen - dort war er aber nicht angenommen worden, wie es später aus dem Innenministerium hieß. Der Amerikaner saß seither in der Grenzzone fest und schlief der Nachrichtenagentur DHA zufolge in einem Auto.

Soylu erwähnte in dem Zusammenhang auch zwei deutsche IS-Anhänger, nannte aber keine Details.

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