Studie: Flüchtlinge bleiben oft in geringqualifizierten Jobs stecken
- Veröffentlicht: 18.06.2019
- 16:48 Uhr
Viele Geflüchtete finden Arbeit in Deutschland - wenige schaffen den Aufstieg. Dort, wo sie herkommen, funktioniert der Arbeitsmarkt anders. Formale Qualifikationen sind nicht so wichtig. Und: Schnell Geld zu verdienen, hat für viele Neuankömmlinge Priorität.
Komplizierte Regelungen, Geldnot und zu viele Hürden: Geflüchtete finden in Deutschland nach einer aktuellen Untersuchung zwar zunehmend den Weg in den Arbeitsmarkt - viele landen allerdings in unsicheren Jobs. Im Februar 2019 hatten nach einer am Dienstag vorgestellten Analyse der Denkfabrik Berlin-Institut zwar 95 000 Menschen aus den acht wichtigsten Herkunftsländern von Asylbewerbern und damit fast jeder Dritte eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden.
Allerdings kam davon wiederum mehr als ein Drittel in der Leiharbeitsbranche unter. Viele fanden Arbeit im einfachen Dienstleistungsbereich, etwa als Gebäudereiniger oder im Gastgewerbe. Häufig gelinge der Sprung in eine reguläre Beschäftigung nicht, schreiben die Experten, die ihn ihrem Bericht persönliche und strukturelle Hürden beleuchten.
Dabei sind viele der Neuankömmlinge jung - ein großer Teil ist zwischen 18 und 24 Jahre alt. Sie könnten damit noch eine Ausbildung machen oder Schulabschlüsse nachholen.
Dazu wäre allerdings Geduld nötig: Viele brauchten zwei Jahre oder länger, um ausreichend Deutsch zu lernen und die nötige schulische Qualifikation zu erwerben, erklären die Autoren. Inklusive Ausbildung kämen damit fünf oder mehr Jahre mit geringen Einkünften zustande.
Da etliche Flüchtlinge Angehörige zuhause unterstützen wollen oder Schleppern Geld schulden, suchten sie jedoch lieber schnell einen Job. "Das kann dann leicht eine Sackgasse sein", sagte Reiner Klingholz vom Berlin-Institut, einer der Autoren der Studie.
Berufserfahrungen leichter anerkennen
Frederick Sixtus vom Berlin-Institut plädierte dafür, die Anerkennung von Berufserfahrungen im Herkunftsland zu erleichtern. Diese seien oft nur schwer übertragbar, weil formale Qualifikationen in vielen Herkunftsländern nicht so wichtig seien wie in Deutschland. Der Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Engelhard Mazanke, erklärte, das Problem sei nur schwer zu lösen, weil für die Betroffenen so viel auf dem Spiel stehe. So werde eine Arbeit in Deutschland positiv angerechnet beim Versuch, enge Angehörige nach Deutschland nachzuholen.
Dass viele dauerhaft in geringqualifizierten Jobs arbeiten, hat dem Bericht zufolge viele weitere Gründe: "Es liegt auch daran, dass diese Menschen unvorbereitet nach Deutschland kommen", sagte Klingholz. Welche Branchen in Deutschland besonders gefragt seien, wüssten die Betroffenen meist nicht. Zudem hat jeder Vierte aus den untersuchten Ländern entweder gar keine Schule besucht oder allenfalls die Grundschule absolviert. Hinzu kommen mangelnde Vernetzung in Deutschland und traumatische Erfahrungen auf der Flucht oder im Herkunftsland.
Der Behördendschungel im föderalen Deutschland, weit verzweigte Zuständigkeiten und komplizierte Gesetze tun ein Übriges, so die Experten. So gebe es in Berlin allein 800 Seiten an Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsrecht, die Behördenmitarbeitern bei der Anwendung der Vorschriften helfen sollen. Der Gesetzgeber verhalte sich wie ein übermäßig beschützender Elternteil, kritisierte Behördenchef Mazanke. "Der will nur das Beste für sein Kind, aber er tut so viel Gutes, dass das Kind überhaupt nicht mehr selbstständig agieren kann. Fünfzehn Regeln, kein Nutella, früh ins Bett gehen, das ist im Prinzip unsere Ausbildungsduldungsregelung." Es gebe in Deutschland allein 140 Arten, an eine Aufenthaltserlaubnis zu kommen.
Unter dem Strich empfehlen die Autoren der Politik, praktikablere Regeln zu entwickeln. Für Arbeitgeber sei die Beschäftigung von Geflüchteten mit zu vielen Unsicherheiten verbunden. Sie stellten auch den Grundsatz in Frage, wonach Integrationsangebote und Sprachkurse vorwiegend auf Menschen beschränkt sind, bei denen die Behörden gute Chancen für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland sehen. Viele blieben deshalb unbeschäftigt. Sixtus forderte eine Öffnung: "Wer nicht dauerhaft bleiben kann, erwirbt sich aber Qualifikationen, die auch im Herkunftsland von Nutzen sein können."